Sonntag, 21. September 2008

Déjà-vu

Als mir eine Kollegin folgendes Video bei You Tube präsentierte, hatte ich ein eigenartiges Gefühl. Das kam mir alles so bekannt vor - oder hatte jemand mich und meine schnurrenden Terroristen beobachtet? Schließlich ließ ich mich von anderen Katzenbesitzern trösten: Katzen sind doch alle gleich!

Samstag, 20. September 2008

DANKE, KÖLN!

(Bild: REUTERS)

Ich muss gestehen, die Bewohner der Rheinmetropole sind mir mitunter etwas suspekt. Sie sprechen oftmals in einer mir gänzlich unverständlich und seltsam klingenden Sprache und wenn im Frühjahr die Karnevalisten das Stadtbild mit Bonbongewerfe und komischen Ausrufen in noch komischeren Kostümen dominieren, dann scheiden sich bei mir die Geister.
Derzeit sind mir die Kölner aber äußerst sympathisch.
Die rechtspopulistische Wählergruppe pro Köln e.V. plante in der Rheinmetropole einen „Antiislamisierungs-Kongress“ abzuhalten, zu dem Rechte aus ganz Europa geladen waren. Die Wählergruppe, die mit vier Abgeordneten im Rat der Stadt Köln sitzt, wird vom Verfassungsschutz beobachtet und propagandiert ziemlich fade Pauschalisierungen, wonach natürlich die Ausländer an allem Unglück (in diesem Falle Arbeitslosigkeit, Kriminalität und die Senkung des Bildungsniveaus) verantwortlich sind. Das sollte doch eigentlich nicht neu sein. Neu ist höchstens, dass ausnahmsweise jetzt mal nicht die Juden sondern die Moslems an allem schuld sind.
Klar. Schließlich ist ja jeder Moslem Fundamentalist, jede Frau mit Kopftuch trägt einen Bombengürtel unter dem Kleid, während ihr Gatte – der ihr selbstverständlich in einer Zwangsheirat unter Androhung von Ehrenmord zur Hand gegeben wurde – Zuhause auf der Plüschcouch sein Schläferdasein fristet. Moscheen dienen selbstverständlich auch nicht der Zusammenkunft Gläubiger und dem gemeinsamen Gebet, sondern sind ausnahmslos Brutstätten von Hasspredigern, wenn nicht gar Ausbildungscamps für Talibananhänger. Und bestimmt ist der Gammelfleischskandal ein Komplett fundamentalistischer Dönerverkäufer, die so den „Ungläubigen“ schaden wollten.
Wenn es nicht wirklich genügend arme Irre gäbe, die solch einen Bockmist glauben, könnte man darüber lachen.
Dass es in der Tat etliche Probleme mit einigen Bürgern mit Migrationshintergrund gibt, dürfte vom Konservativen, über den Liberalen, dem Sozialdemokraten bis hin zum kommunistisch Geprägten jeder mitbekommen haben. Und sicherlich auch, dass es dringender Lösungen bedarf. Aber braucht die Gesellschaft dazu rechtsideologisches Gedankengut?
In Köln jedenfalls, hatte die umstrittene Wählergruppe die Rechnung ohne den Wirt gemacht.
Pro Köln e.V. hatte gestern zu einer Pressekonferenz auf den Ausflugsdampfer „Moby Dick“ geladen. Die Rechtspopulisten hatten Glück. Es flogen keine Harpunen, sondern nur Steine und Farbbeutel. Die Wurfgeschossen haben zum Glück nur Sachschaden angerichtet. Wobei auch erwähnt werden sollte, dass der Reeder lt. eigener Aussage keine Ahnung hatte, was für eine Gruppierung das Schiff angemietet hatte. Das Ziel der Gegendemonstranten wurde auf jeden Fall erreicht: Moby Dick dümpelte ziellos über den Rhein, während die Rechtspopulisten etwas konsternierte Interviews gaben, in denen sie sich darüber echauffierten, wie mit ihnen als Demokraten umgegangen würde.
(Und ich dachte immer Rechtsextremismus und Demokratie wären etwas völlig Gegensätzliches!)
Die anschließend geplante Rundfahrt durch Kölner Problemstadtteile – natürlich die mit erhöhtem Ausländeranteil – und zur Deutschlandzentrale der Türkisch-Islamischen Union (wo eine Moschee errichtet werden soll) wurde aus Sicherheitsgründen von der Polizei abgesagt. Und dabei wurde pro Köln e.V. sehnlichst erwartet: eine Menschenkette aus hunderten Kölner Bürgern stand als denkender Gegenpol im Stadtteil Ehrenfeld bereit. Das Ergebnis könnte man aus Sicht der Rechten als R(h)einfall bezeichnen.
Für den heutigen Tag hatten die Rechtspopulisten eine Kundgebung auf dem Kölner Heumarkt geplant, diese wurde aber von den Kölner Behörden verboten. Dennoch hatten sich ca. 5000 Kölner Bürger zur Demo gegen rechts versammelt.
Schade nur, dass es wieder ein paar Bekloppte gab, die diesen wichtigen Anlass für ihre eigenen Zwecke ausnutzen mussten. Natürlich gab es wieder einige Linksautonome, die marodierend durch die Stadt zu ziehen versuchten.
Ich persönlich hätte mir gewünscht, dass sich ähnliche viele Menschen wie bei den Rosenmontagsumzügen eingefunden hätten, um zu demonstrieren: Köln – nazifreie Stadt. Und von mir aus: Kamelle gegen rechts!

Freitag, 19. September 2008

Grausiges Ende eines Schützenfestes

Ich bin bekennender Friedhofsfan. Neben der Architektur von Grabmälern fasziniert mich auch die Geschichte, die auf den meisten Gottesackern gewahr wird.
Auf dem Neuen Luisenstädtischem Kirchhof in der Neuköllner Hermannstraße entdeckte ich einen Obelisken mit der Inschrift:
Hier ruhen in Gott die am 2ten September 1883 in Steglitz verunglückten Schützenbrüder nebst Angehörigen / Dem Andenken gewidmet von deutschen Schützen

Über der Inschrift ein Eichenkranz mit zwei sich überkreuzenden Gewehren.
Was war passiert?
Vermutlich ist meine Fantasie durch übermäßigen Genuss von Psychothrillern etwas zu ausgeprägt. So dachte ich zunächst, dass vielleicht Schießpulver in Brand geraten war. Ich hätte mir auch vorstellen können, dass ein „durchgeknallter“ Schützenbruder Amok gelaufen ist.
Zum Glück gibt es das Internet. Nachdem ich Google mit entsprechenden Suchbegriffen gefüttert hatte, fand ich nähere Informationen.
An jenem Sonntag 1883 hatten die Steglitzer Schützenbrüder ein Fest gefeiert, zu dem auch Schützen aus dem damaligen Rixdorf (heute Neukölln) mit Kind und Kegel angereist waren. Nach dem Fest – es muss gegen 21.30 Uhr gewesen sein - zogen die Rixdorfer Schützen gut gelaunt zum nahe gelegenen Bahnhof von Steglitz. Dieser befand sich in der Nähe des heutigen S-Bahnhofs Rathaus Steglitz, jedoch in etwa auf der Höhe des alten Postamtes. Als die Gruppe die Bahnschranken des auf Straßenniveau liegenden Bahngeländes erreicht hatten, sahen sie den bereitstehenden Zug nach Berlin. Panik machte sich breit, dass der Zug ohne die Rixdorfer abfahren könnte. Und so überwanden die Leute die Absperrungen und stürmten auf den wartenden Zug zu. Viel zu spät bemerkten sie den herannahenden Schnellzug (Courierzug) aus Berlin, der schließlich fast ungebremst in die Menschenmenge fuhr.
Die Bilder, die sich Zeugen geboten haben, müssen ausgesprochen erschreckend gewesen sein.
Wir kennen alle die Bilder des Zugunglücks von Eschede. Nun wird der Schnellzug sicherlich nicht mit 210, sondern schätzungsweise mit vielleicht 65 km/h unterwegs gewesen sein. Dennoch muss das Ausmaß der Zerstörung selbst bei dieser geringen Geschwindigkeit grauenvoll gewesen sein.
Heutzutage hätte ein Augenzeuge schnell sein Mobiltelefon gezückt und binnen weniger Minuten wären Rettungskräfte am Unfallort eingetroffen. Damals gab es noch nicht einmal Lautsprecher, über welche die Bahnbediensteten die auf die Gleise stürmenden Menschen hätten warnen können. Der Rettungsdienst, wie wir ihn heute kennen und schätzen, befand sich Ende des 19. Jahrhunderts noch in den Kinderschuhen. Zwar gab es bereits erste Krankentransport-unternehmen, aber die hatten weder Blaulicht, noch Martinshorn und waren mit etwa zwei PS, nämlich in Droschkenform, unterwegs. Das Universitätsklinikum Benjamin Franklin sollte erst 76 Jahre später errichtet werden, auf dessen Gelände befand sich damals das Kreiskrankenhaus Steglitz. Immerhin rund 2 ¼ Kilometer entfernt. Wie ging die Rettung und der Transport der Verletzten am jenem Septemberabend vonstatten? Wie sahen damals die Erste-Hilfe-Maßnahmen aus?
Laut Wikipedia lag die Zahl der Todesopfer zwischen 19 und 70, der Steglitzer Heimatverein berichtet von 39 Toten, davon vier Kinder. Acht (Wikipedia) bzw. sechs (Steglitzer Heimatverein) Menschen wurden schwerverletzt, etliche andere kamen mit leichteren Blessuren davon. Die grausam verstümmelten Toten sollen in einem Raum des Bahnhofgebäudes aufgebahrt worden sein.
An dieses furchtbare Unglück erinnert in Steglitz nichts mehr (von den Dokumenten im Archiv des o.g. Heimatvereins abgesehen). Nur der Obelisk in Neukölln mahnt den Opfern.

Mittwoch, 17. September 2008

In den Untergrund!


Mein nächstes und für den diesjährigen "Tag des offenen Denkmals" letztes Ziel liegt nur einen Katzensprung vom Landgericht entfernt.
Im wahrsten Sinne des Wortes betrat ich den Untergrund.
Der U-Bahnhof Klosterstraße ist architektonisch sicherlich einer der schönsten der Stadt und hat etwas von einem U-Bahnmuseum. Alte Emailleschilder mit Ansichten Berliner U-Bahnzüge, ein Hebelstellwerk und ein U-Bahnwagen lassen den Fahrgast gerne mal einen Zug ausfallen.
Mein Ziel war jedoch nicht der U-Bahnhof Klosterstraße an sich, sondern eine Tunnelbegehung zum einstmals geplanten und im 2. Weltkrieg zum Bunker ausgebauten U-Bahnhof Stralauer Straße.
Als ich mich in die Reihe der potenziellen Tunnelbegeher einreihte, war mir bereits klar, dass meine Bilder nur Grütze werden konnten. Vor mir stand eine Gruppe, die ihre Spiegelreflexkameras bereits auf Stative befestigt und Belichtungsmesser parat hatten. Mein Stativ lehnte in der zugehörigen Tasche an meinem Kleiderschrank und meine Kamera ist zwar gut, jedoch nicht die heiß ersehnte digitale Spiegelreflex (Sponsoren dürfen sich gerne melden! ;o)).
Nach der Unterzeichnung einer Verzichtserklärung auf Regressansprüche in Folge körperlicher oder sonstiger Schäden bei der Tunnelbegehung, betrat ich durch eine Stahltür einen leicht dämmrigen Vorraum, dessen Treppe gen Untergrund führte. Unten angelangt erblickte ich einen Schriftzug an der Wand, mit dem Hinweis auf eine Gasschleuse. Erstes Indiz für den Bunker?
Über eine weitere Treppe erreichte ich den U-Bahntunnel. Zahlreiche Fotografen hatten ihre stativbewehrten Kameras links und rechts der auf einem Viadukt liegenden U-Bahntrasse aufgebaut und als fast zeitgleich die Züge aus und in den Bahnhof Klosterstraße ein- bzw. ausrollten, erhellten hier und da Blitzlichter das schummerige Tunnelfragment. Ein Königreich für einen Motor, dachte ich mir, als ich ebenfalls die an mir vorbei rumpelnden U-Bahnen fotografierte.
Über eine Öffnung im Viadukt gelangte ich auf die andere Seite der Trasse. Von hier aus ging es über Schottersteine zu dem Nebentunnel in Richtung Bahnhof / Bunker Stralauer Straße.
Gänzlich unbenutzt scheint die Strecke nicht zu sein, denn die Schienenstränge glänzen beängstigend frequent.
Vor mir schlenderten andere Tunnelbegeher über die Schottersteine und Schienen. Ältere Ehepaare, Mütter mit ihren Kindern, viele Besucher mit Rucksäcken. Sah das zur Zeit des 2. Weltkrieges ähnlich aus, als Berliner den Bunker anstrebten oder traten die Menschen einen anderen Weg in die Zufluchtstätte vor Fliegerbomben an?
Nach einigen Minuten Fußmarsches über das Schotterbett war der U-Bahnhof Stralauer Straße erreicht. Es würde mich brennend interessieren, wie der mal ursprünglich ausgesehen hat. Die Ähnlichkeit mit einem Bahnhof ist heute so frappierend wie die zwischen Erdbeere und Salatgurke. Kriegsgefangene hatten in den 1940er Jahren eine den gesamten Bahnsteig einnehmende Bunkeranlage errichten müssen. Wieder wiesen Inschriften an der Wand auf Gasschleusen hin. Einige wenige Räume waren begehbar, bis auf ein paar Rohre und Halterungen für längst verschwundenes Inventar, alles rostverkrustet, leer. Vor einem langgezogenen Mittelgang, von dem aus zu beiden Seiten Räume abgingen, war ein rot-weißes Flatterband befestigt und der Hinweis, dass dieser Teil des Bunkers nicht begehbar sei. So ging es zurück in den U-Bahntunnel und über diesen an der Bunkeranlage vorbei zum anderen Ende des Bunkers. Ein muffiger Geruch bekräftigte den Hinweis eines Schildes, dass der nördliche Bunkerteil unter Wasser stünde. Über den jenseitigen Teil des Bahnhofs / Bunkers, durch weitere Räume, in denen rostzerfressene Artefakte an den Wänden prangten, gelangte ich nach einem kurzen Fußmarsch wieder zurück ans Tageslicht.
Mit dem wohligen Gefühl zum Glück nur vage Vorstellung vom Krieg zu haben, beendete ich den Tag des offenen Denkmals.


P.S.: wirklich gelungene Tunnelansichten sind hier zu sichten.

Der Held der Advokatie


Nach dem Besuch der Sophienkirche und dessen Kirchhof verschlug es mich wieder nach Altberlin, ganz in die Nähe des Alexanderplatzes, an einen Ort der Berliner Rechtspflege und leider auch deren Beugung: dem Landgericht in der Littenstraße. Zwischen 1896 und 1905 als Neubaraockbau mit Jugendstilelementen errichtet, ist das Gericht bis heute das größte Landgericht und das zweitgrößte Gerichtsgebäude Deutschlands. Die Ausmaße erreichten fast die Gigantomanie des Berliner Stadtschlosses. Der Blick in die Eingangshalle mit ihren reich verzierten Treppentürmen ist äußerst eindrucksvoll.
Fest verankert mit dem Landgericht ist der Name eines Rechtsanwaltes, dessen Mut, Unbeugsamkeit und Gerechtigkeitsempfinden wohl einzigartig ist und an den eine Gedenktafel am Gericht erinnert: Hans Achim Litten, der Anwalt des Proletariats. Litten engagierte sich für Arbeiter, die gegen das Regime aufbegehrt hatten, zunächst gegen die Weimarer Republik, später gegen die Nazis. So zeigte er beispielsweise den damaligen Berliner Polizeipräsidenten Zörgiebel wegen Anstiftung zum Mord an. Jahre später blamierte Litten Adolf Hitler vor Gericht im Zuge des Prozesses um den Überfall auf das Lokal Eden.
Selbstredend, dass sich der unerschrockene Anwalt bei den Nationalsozialisten nicht unbedingt Freunde schaffte. Hitler selbst soll auf den Anwalt so allergisch reagiert haben, dass sein Name in Gegenwart des Diktators nicht erwähnt werden durfte.
Sein Platz auf der Schwarzen Liste der neuen Machthaber war ihm sicher. Und so nahm man den Rechtsanwalt direkt nach dem Reichstagsbrand in "Schutzhaft". Es folgte eine Odyssee durch diverse Zuchthäuser und Konzentrationslager, die mit dem Suizid des gefolterten und gebrochenen Helden der Arbeiterschaft und Unterdrückten in Dachau endete.
Die Straße vor dem Landgericht ist heute nach dem couragierten Anwalt benannt und es bleibt zu wünschen, dass Rechtsanwälte, die heutzutage ihre Fahrzeuge vor dem Landgericht parken und zur Arbeit schreiten, sich an dieses Vorbild erinnern und sich ein Beispiel nehmen.

Spiel mit dem Tod



Genau genommen müsste es nicht Tag sondern Wochenende des offenen Denkmals heißen. Zumindest in Berlin sind die meisten Denkmäler am gesamten Wochenende erkundbar.
Meine Geschichtsexkursion begann am Sonntag, dem 14.09.2008 mit der Sophienkirche.
Wobei mich weniger die Kirche als vielmehr der zugehörige alte Kirchhof interessierte.
Die Sophienkirche ist ein netter (Neo-)Barockbau, der eine Renovierung dringend nötig hat. Teilweise wird diese auch schon durchgeführt. Der Turm ist eingerüstet, die Turmspitze bereits fertig gestellt. Das übrige Äußere des Gotteshauses macht allerdings einen ziemlich ramponierten Eindruck. Im Inneren wäre ein neuer Anstrich sicherlich auch dringend angesagt, aber an und für sich sehen die Stuckverzierungen noch recht manierlich aus.
Die Kirche an sich konnte mich nicht sonderlich begeistern. Im Gegensatz zur St. Marienkirche wirkte sie auf mich eher steril. Wesentlich interessanter ist da schon die Geschichte der Sophienkirche und die ihrer Namensgeberin.
Der Grundstein für die Kirche wurde am 11.06.1712 gelegt. Anwesend war ihre Stifterin Sophie Luise. Diese war die Tochter des Herzogs von Mecklenburg-Schwerin und dritte Ehefrau Königs Friedrich I. Sie war bei der Eheschließung 23 Jahre alt, ihr Gatte 51. Eine rein dynastische Verbindung, da dem König bei der hohen Kindersterblichkeit der damaligen Zeit nur ein Stammhalter verblieben war. Die junge Sophie muss alles andere als glücklich gewesen sein, was wohl nicht zuletzt an dem Intrigenspiel des preußischen Königshofes lag. Besonders Catharina Gräfin von Wartenberg, des Königs Mätresse, muss eine Meisterin auf diesem Gebiet gewesen sein. So flüchtete Sophie Luise, die als "mecklenburgische Venus" galt, vor dem unliebsamen Gatten und dem intriganten Hof zunächst in ihren Glauben, später in den Wahnsinn. Das Verhältnis zu ihrem nur drei Jahre jüngeren Stiefsohn, dem späteren Friedrich Wilhelm I. (der Soldatenkönig) scheint ausgesprochen angespannt gewesen zu sein. Die Situation eskalierte, als Sophie geistig umnachtet durch das Berliner Schloss irrte. Den Berichten nach verletzte sie sich dabei und befleckte ihr weißes Gewand mit Blut. In diesem Zustand traf Sophie auf den Thronfolger, der zu Tode erschrak und seine Stiefmutter für die Weiße Frau, die Todesbotin der Hohenzollern hielt. Sophie Luise wurde vom preußischen Hofe verbannt und zu ihrem Bruder nach Grabow geschickt, wo sie später verstarb. Interessanterweise schien sich die Legende um die Weiße Frau doch zu bewahrheiten, denn kurze Zeit nach der seltsamen Begegnung des Thronfolgers mit der Weißen Frau verstarb der König.
Bei der Einweihung der Kirche war Sophie nicht zugegen und auch ihr Name sollte bei der Benennung des neuen Gotteshauses vorerst außen vor bleiben. So nannte man die Kirche schlicht Spandauische Kirche, ein Hinweis auf die Lage in der Spandauer Vorstadt, die damals vor den Toren Berlins lag. Erst der Nachfolger Friedrich Wilhelms, nämlich Friedrich II (der Große), besser bekannt als der Alte Fritz, sorgte dafür, dass die Kirche den Namen ihrer Stifterin erhielt.
Ist die Kirche heute renovierungsbedürftig, würde ich den umgebenden Kirchhof als beinahe desaströs bezeichnen. Der Zustand der wenigen noch existenten Grabmale ist in einem sehr schlechten Zustand. Das einzige Grabmal, das wirklich gut in Schuss ist, ist das reich verzierte Sandsteingrab für den Werftbesitzer und Orgelstifter Koepjohann. Bei den meisten anderen Gräbern ist "gut in Schuss" wörtlich zu verstehen. Schäden des 2. Weltkrieges, wie durch Granatsplitter, verunstalten einige Grabstätten, besonders auf der Nordseite der Kirche. An der Kirchenwand zeugen einige verwitterte Epitaphe von der Vergangenheit der Kirche und ihrer Mitglieder. So z.B. für die "Jungfer Anna Maria Elisabeth", die 1816 das Zeitliche segnete, ihre trauernden Eltern und einen Bruder zurück lassend. Der Bruder scheint der Schwester schließlich gefolgt zu sein, wie ein weiteres Epitaph vermuten lässt. Arme Eltern. Auf der Südseite der Sophienkirche bietet sich ein seltsames aber nicht unbedingt negatives Bild: der Kindergarten der Gemeinde hat diesen Teil des Kirchhofs zum Spielplatz umfunktioniert. Zwischen Buddelkiste und Klettergerüst das Grab für den Historiker Leopold von Ranke. Das Spiel mit dem Tod halt mal anders.

Dienstag, 16. September 2008

Gestatten: Urberliner


Obwohl mir nach dem rasanten Turmaufstieg zu St. Marien ein wenig die Beine schmerzten, trat ich mein drittes Ziel an jenem Samstag an: die archäologische Ausgrabungsstätte am Petriplatz.
Es dürfte nicht übertrieben sein, wenn man diesen Ort als Keimzelle Berlins bezeichnet. Obwohl genau betrachtet der Petriplatz das Zentrum des mittelalterlichen Cöllns bildete. Aber wie bekannt ist, wuchsen Berlin und Cölln alsbald zur Residenzstadt zusammen.
Was der 2. Weltkriegs nicht vernichtete, das schaffte die neue Regierung in diesem Teil der Republik. Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt wurde leider nicht wörtlich genommen, denn die Verantwortlichen ließen diesen geschichtsträchtigen Ort nicht auferstehen, sondern begruben ihn unter den Trümmern und dem Staub der Geschichte und einer mehrspurigen Straße.
2006 bestimmte der Berliner Senat die Wiederherstellung des Petriplatzes.
Nun sind Archäologen emsig dabei die Geschichte Berlins / Cöllns ein wenig zu reanimieren.
Im Fall der Petrikirche waren nicht Fliegerbomben die treibende Kraft der Zerstörung, sondern Beschuss durch die Rote Armee, nach dem sich SS-Männer in der Kirche verschanzt hatten. In den Augen der DDR-Regierung war das lädierte Gotteshaus kulturhistorisch uninteressant und wurde mittels Abrissbirnen gänzlich aus dem Stadtbild getilgt.
Eine ziemlich traurige Geschichte, wenn man die Vergangenheit St. Petris betrachtet, die von Zerstörungen wie z.B. durch einen Blitzeinschlag oder einen Turmeinsturz gezeichnet ist.
Fast sternförmig zeichnen sich die kläglichen Überreste der Petrikirche inmitten von Sandbergen ab.
Wesentlich spektakulärer, wenngleich auch etwas unheimlich zeigt sich was neben der Kirche zu Tage gefördert wurde: der alte Friedhof zu St. Petri. Etwa zwanzig Skelette grinsen dem Betrachter hohläugig entgegen, rührend mit Ewig Lichtern und Rosen geschmückt (die Totenzier ist definitiv der Neuzeit entsprungen!). Von 670 Skelettfunden berichten seriöse Zeitungen, die deutsche gutter press gar von über tausend. Ich sah deutlich weniger Tote und ob die tatsächlich mehrere Jahrhunderte auf dem Buckel haben, würde ich angesichts der guten Erhaltung bezweifeln.
Besonders faszinierte mich das Skelett einer Frau mit makellosen Zähnen. Vermutlich ist diese Berlinerin sehr früh aus dem Leben geschieden.
Was für interessante Berufsfelder müssen die Archäologie, die Anthropologie oder die Paläopathologie sein? Es ist bestimmt sehr interessant, das Leben und Sterben dieser "Berliner Pflanzen" zu ergründen.
Bisher scheint durch die Ausgrabungen eine lange hegte Theorie untermauert: Berlin ist wesentlich älter, als Urkunden dies vermuten lassen.
Neben Kirche und Kirchhof brachten Archäologen die Überreste des alten Rathauses zu Cölln, der Ratswaage und der alten Lateinschule ans Tageslicht. Nach solchen Einblicken muss ich wahrlich bekennen: Beruf verfehlt.

La Danse macabre


Was in des Dammes tiefer Grube
Die Hand mit Feuers Hilfe baut,
Hoch auf des Turmes Glockenstube
Da wird es von uns zeugen laut.

Das zweite Ziel an jedem ersten Tag des offenen Denkmals war die St. Marienkirche in unmittelbarer Nähe der Parochialkirche.
Unter Berlins Kirchen ist sie mein eindeutiger Favorit, was nicht zuletzt an den reich verzierten Epitaphen liegt. Ich habe nun einmal ein leicht morbides Faible für Sanduhren, Totenschädel, Engel und fette Putten.
Aus dem Jahre 1292 datiert die erste urkundliche Erwähnung der St. Marienkirche, die neben der Heiligen Maria auch der ebenso heiligen Anna und dem ebenfalls nimbusgekrönten Mauritius geweiht war / ist.
Vorbei am Sühnekreuz und einer Bettlerin - wie nahe das Mittelalter doch scheint! - betrat ich die Kirche. Hinter einer Glaswand, die das kunsthistorisch ebenso interessante wie wertvolle Totentanzfresko vor zerstörerischen Einflüssen und Kirchgängern schützt, erblickte ich eine Menschentraube, die sich an den Turmaufstieg machte. An die Scheibe klopfen und obszöne Gesten machen hätte vermutlich nicht bewirkt, dass die Gruppe auf mich wartete. Also betrat ich den Kirchenraum und wandte mich einer Tür zu, hinter der die Turmbesteiger offensichtlich ohne mich entschwunden waren. Leider blockierte eine japanische Touristengruppe und ein stoischer Kirchenmitarbeiter eben jene Tür. Doch ich hatte Glück. Eine ältere Dame trat aus dem Raum und fragte, ob noch eine Gruppe für den Totentanz da wäre. Sofort hob ich die Hand. Nun ja, manche Leute sind eine Insel, ich bin eine Gruppe.
So folgte ich der Dame durch die Tür, die Japaner und eine rüstige Rentnerin im Schlepptau.
Eigentlich war ich gar nicht so sehr am Totentanz interessiert. Viel mehr war ich darauf bedacht den Turm zu erklimmen. Von der Gruppe, die diesen Weg angetreten hatte, war jedoch keine Spur mehr.
So ließen die Rentnerin und ich - die Japaner hatten sich recht schnell aus dem Staub gemacht, da sie den Vortrag zwar offensichtlich interessant fanden, aber des Deutschen nicht mächtig waren - uns in die Geschichte des Totentanzes unterweisen.
Anders als bei anderen Totentänzen wird das Berliner Exemplar nicht von einem Dominikaner, sondern einem Franziskanermönch angeführt (kleiner Gruß an die Franziskaner aus der Nachbarschaft?). Geistige und weltliche Ständevertreter führen einen Schreittanz mit dem Tod auf. Inmitten des Freskos erscheint eine Kreuzigungsszene, was auch als eher unkonventionell für einen Totentanz zu werten ist. Unter dem Fresko prangen Textferse in Mittelniederdeutsch (Berlins erste Dichtung!), in der die zum Tanze Aufgerufenen den Tod um Aufschub bitten.
Vermutlich stammt das Fresko aus dem Jahre 1484, als der Tod reichlich Gelegenheit zum Tanzen hatte - die Pest grassierte.
Für den mittelalterlichen Besucher der Kirche war der Totentanz Teil einer Prozession. Anders als heute betrat man die Kirche durch das Westportal und schritt unter dem Totentanz gen Gottesdienst. Man könnte dies zynisch als genialen Werbeschachzug der Kirche verstehen. Dem Gläubigen immer brav das fragile irdische Dasein vor Augen führen, ihn immer an das drohende Damoklesschwert des Harmagedon gemahnen und schön den Ablasshandel zelebrieren. In gewisser Hinsicht hat sich bis heute kaum etwas geändert. Vom Totentanz aus erreichte man das Taufbecken und schließlich den Kirchenraum - Sinnbild des heiligen Jerusalems. Fünfzehn Altäre soll St. Marien besessen haben. Nach dem Gottesdienst verließ der Gläubige unter der Schutzmantelmadonna die Kirche.
Mit der Reformation entledigte man sich auch des höchst katholischen Totentanzes. Mittels Kalk. Und das erwies sich als Glück für das Fresko, denn die Kalkschicht bewirkte eine Konservierung. Bei Renovierungsarbeiten 1861 wurde der Totentanz entdeckt und "restauriert". Maler überpinselten das Fresko und übertrieben es leider mit der viel gerühmtem künstlerlischen Freiheit maßlos. So stellte ein Maler fest, dass dem Junker der im Text angedichtete Habicht auf dem originalen Fresko fehlte. Aber das ließ sich ändern. Und so ergänzte er "Her juncker med jwen haweke fyn" um einen Habicht. Eine der Todesgestalten wirkte so gar nicht tänzerisch. Ergo wurde er mit Pinsel und Farbe in bessere Pose gebracht. Ergebnis: als die neue Farbe wich, hatte Gevatter Tod mal eben drei Beine. Hat doch auch was. Heute ist die neue Farbschicht durch Trockenlegung der Wände fast gänzlich abgetragen. Geplant ist eine gründliche Reinigung des alten Freskos.
Ich frage mich, wie heute ein Totentanz aussehen würde. Wen könnte man auftanzen lassen? Die steife Kanzlerin, König Fußball in Person des Kaisers Beckenbauer (den Tod zu seiner Seite einen Fußball dribbelnd), den homophoben Kardinal Meisner mit Tetzelkasten, Prügel-August? Ich hätte da so einige Ideen...
Als die nette Dame mit ihren Erläuterungen zum Ende gelangt war, fragte ich vorsichtig an, ob ich denn noch zu der Turmführung dazu stoßen dürfe. "Na dann müssen Sie aber sehr schnell sein!", war die Antwort. Die rüstige Rentnerin erwies sich als meine Fürsprecherin: "Das ist sie bestimmt!" - und das war ich auch.
Im Eiltempo betrat ich die Wendeltreppe, von der ich mir nach einiger Zeit sicher war, dass sie nie enden würde. Schließlich erreichte ich mit den ersten Anzeichen eines wahren Drehschwindels ein Plateau. Immer den Stimmen nach, war meine Taktik. Nur hörte ich niemanden. Zwei Stahltüren zweigten in das innere der Kirche, bzw. auf dessen Dachstuhl ab. Ich hielt es aber für logischer, dass sie Führung irgendwo über mir statt fand. Also bestieg ich eine antike Holztreppe. Das nächste Plateau erreichte ich röchelnd wie eine altersschwache Dampflok. Ich schoss ein paar Fotos, um meine Atmung und meinen Puls wieder zu normalisieren. Ein Preis für die schnellste Turmbesteigung wäre mir aber garantiert sicher. Es ging weiter empor, diesmal aber langsamer. Und plötzlich wurde es dunkel und laut. Ich versuchte mich zu orientieren und blickte dabei empor. Beinahe wäre ich vor Schreck die Treppe herunter gepoltert. Das wenige Licht drang aus Fensterläden, der Lärm vom Zugwind und genau über mir erblickte ich den dicken Klöppel der Kirchenglocke. Mein einziger panischer Gedanke war: wie spät ist es? Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich entweder einen Herzkasper oder den Verlust meines Gehörs zu beklagen hätte, wenn St. Marien just in diesem Moment die Stunde geschlagen hätte. Mit etwas zittrigen Händen fotografierte ich das wohl eher seltene Bild und machte mich an den Abstieg.

"I see dead people!!!"


Leider ist in den vergangen Jahren der "Tag des offenen Denkmals" an mir vorbei gezogen. Diesmal sollte es nun anders werden.
Und das wurde es auch.
Zu dumm nur, dass meine Heimatstadt ein schier unerschöpfliches Angebot in petto hatte, ich jedoch nicht im Besitz des Zeitumkehrers einer gewissen Hermione Granger bin. So blieb mir nur einige ganz wenige Ziele aus dem enormen Programm heraus zu picken.
Ziel 1 war die Parochialkirche, bzw. die Gruft selbigen Gotteshauses.
Besagte Kirche befindet sich im Herzen Berlins und erscheint dem geneigten Auge bis auf den fehlenden Kirchturm als wahres Kleinod. Leider trifft die Redewendung "außen hui, innen pfui" genau des Pudels Kern.
1944 ließen Brandbomben den Kirchturm einstürzen, das Interieur verbrennen und die Glocken schmelzen. Bis zum heutigen Tage zeigt sich der einstmals prachtvolle Innenraum trostlos und relativ leer, kahle Wände und bloßes Mauerwerk zurück lassend, wo ehedem ornamentale Malerei und eine Empore den Andachtsaal zierten.
Von dieser Katastrophe nahezu gänzlich unbeschadet blieb die Gruft.
Diese wurde erst nach dem Kriege beschädigt. Grabräuber und Vandalen verschlug es in die Gruft, wo sie Särge aufbrachen und zu plündern versuchten. Die Übergriffe führten schließlich dazu, dass der damalige Pfarrer alle Särge bergen und in eine Gruftkammer verbringen ließ. Fenster und Türen wurden vermauert und die Toten überdauerten ungestört den real existierenden Sozialismus.
Kurz nach der Wende wurde man sich der Leichen im Keller bewusst. Die Gruftkammer wurde aufgebrochen und nun zeigte sich erst das ganze Ausmaß der Totenschändung. Alleine 32 abgerissene Köpfe zählten Gemeindemitarbeiter.
Die Särge wurden repariert, die Toten erneut zur Ruhe gebettet und auf die Grabkammern aufgeteilt. Ob die Verstorbenen allerdings in ihren originalen Särgen und einstmals erworben Grabkammern liegen ist mehr als fraglich.
Nun, an diesem 13. September wurde die Totenruhe erneut gestört.
Etwa vierzig Neugierige folgten dem Gemeindemitarbeiter die Treppe hinab in den Kreuzgang der Gruft, betrachteten mit gemischten Gefühlen die Öffnung in der Decke, die als Pforte ins Totenreich wortwörtlich fungierte und lauschten gebannt den Erzählungen des Gruftführers.
Die ersten Besucher zückten die Kameras und lichteten die Sarkophage fürs Familienalbum ab. Dieser Morbidität schloss ich mich selbstverständlich an.
Als ich am Abend die Bilder hochgeladen hatte und sichtete, konnte ich mir ein ziemlich pietätloses Grinsen nicht verkneifen.
Lichtreflexe hatten auf einige Bilder etwas gezaubert, was in gewissen Fachkreisen als Orbs bezeichnet wird. Diese Orbs werden von manchen Zeitgenossen für die ruhelosen Seelen Verstorbener gehalten.
Sei es drum - I see dead people!!!

Doof oder genial?

Manche Dinge sind so bescheuert, dass sie schon wieder genial sind.
You Tube hat in dieser Hinsicht so einiges zu bieten.
So stieß ich, als erklärter Harry Potter-Fan, kürzlich auf dieses Video: