Dienstag, 16. September 2008

Gestatten: Urberliner


Obwohl mir nach dem rasanten Turmaufstieg zu St. Marien ein wenig die Beine schmerzten, trat ich mein drittes Ziel an jenem Samstag an: die archäologische Ausgrabungsstätte am Petriplatz.
Es dürfte nicht übertrieben sein, wenn man diesen Ort als Keimzelle Berlins bezeichnet. Obwohl genau betrachtet der Petriplatz das Zentrum des mittelalterlichen Cöllns bildete. Aber wie bekannt ist, wuchsen Berlin und Cölln alsbald zur Residenzstadt zusammen.
Was der 2. Weltkriegs nicht vernichtete, das schaffte die neue Regierung in diesem Teil der Republik. Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt wurde leider nicht wörtlich genommen, denn die Verantwortlichen ließen diesen geschichtsträchtigen Ort nicht auferstehen, sondern begruben ihn unter den Trümmern und dem Staub der Geschichte und einer mehrspurigen Straße.
2006 bestimmte der Berliner Senat die Wiederherstellung des Petriplatzes.
Nun sind Archäologen emsig dabei die Geschichte Berlins / Cöllns ein wenig zu reanimieren.
Im Fall der Petrikirche waren nicht Fliegerbomben die treibende Kraft der Zerstörung, sondern Beschuss durch die Rote Armee, nach dem sich SS-Männer in der Kirche verschanzt hatten. In den Augen der DDR-Regierung war das lädierte Gotteshaus kulturhistorisch uninteressant und wurde mittels Abrissbirnen gänzlich aus dem Stadtbild getilgt.
Eine ziemlich traurige Geschichte, wenn man die Vergangenheit St. Petris betrachtet, die von Zerstörungen wie z.B. durch einen Blitzeinschlag oder einen Turmeinsturz gezeichnet ist.
Fast sternförmig zeichnen sich die kläglichen Überreste der Petrikirche inmitten von Sandbergen ab.
Wesentlich spektakulärer, wenngleich auch etwas unheimlich zeigt sich was neben der Kirche zu Tage gefördert wurde: der alte Friedhof zu St. Petri. Etwa zwanzig Skelette grinsen dem Betrachter hohläugig entgegen, rührend mit Ewig Lichtern und Rosen geschmückt (die Totenzier ist definitiv der Neuzeit entsprungen!). Von 670 Skelettfunden berichten seriöse Zeitungen, die deutsche gutter press gar von über tausend. Ich sah deutlich weniger Tote und ob die tatsächlich mehrere Jahrhunderte auf dem Buckel haben, würde ich angesichts der guten Erhaltung bezweifeln.
Besonders faszinierte mich das Skelett einer Frau mit makellosen Zähnen. Vermutlich ist diese Berlinerin sehr früh aus dem Leben geschieden.
Was für interessante Berufsfelder müssen die Archäologie, die Anthropologie oder die Paläopathologie sein? Es ist bestimmt sehr interessant, das Leben und Sterben dieser "Berliner Pflanzen" zu ergründen.
Bisher scheint durch die Ausgrabungen eine lange hegte Theorie untermauert: Berlin ist wesentlich älter, als Urkunden dies vermuten lassen.
Neben Kirche und Kirchhof brachten Archäologen die Überreste des alten Rathauses zu Cölln, der Ratswaage und der alten Lateinschule ans Tageslicht. Nach solchen Einblicken muss ich wahrlich bekennen: Beruf verfehlt.

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