Sonntag, 21. September 2008

Déjà-vu

Als mir eine Kollegin folgendes Video bei You Tube präsentierte, hatte ich ein eigenartiges Gefühl. Das kam mir alles so bekannt vor - oder hatte jemand mich und meine schnurrenden Terroristen beobachtet? Schließlich ließ ich mich von anderen Katzenbesitzern trösten: Katzen sind doch alle gleich!

Samstag, 20. September 2008

DANKE, KÖLN!

(Bild: REUTERS)

Ich muss gestehen, die Bewohner der Rheinmetropole sind mir mitunter etwas suspekt. Sie sprechen oftmals in einer mir gänzlich unverständlich und seltsam klingenden Sprache und wenn im Frühjahr die Karnevalisten das Stadtbild mit Bonbongewerfe und komischen Ausrufen in noch komischeren Kostümen dominieren, dann scheiden sich bei mir die Geister.
Derzeit sind mir die Kölner aber äußerst sympathisch.
Die rechtspopulistische Wählergruppe pro Köln e.V. plante in der Rheinmetropole einen „Antiislamisierungs-Kongress“ abzuhalten, zu dem Rechte aus ganz Europa geladen waren. Die Wählergruppe, die mit vier Abgeordneten im Rat der Stadt Köln sitzt, wird vom Verfassungsschutz beobachtet und propagandiert ziemlich fade Pauschalisierungen, wonach natürlich die Ausländer an allem Unglück (in diesem Falle Arbeitslosigkeit, Kriminalität und die Senkung des Bildungsniveaus) verantwortlich sind. Das sollte doch eigentlich nicht neu sein. Neu ist höchstens, dass ausnahmsweise jetzt mal nicht die Juden sondern die Moslems an allem schuld sind.
Klar. Schließlich ist ja jeder Moslem Fundamentalist, jede Frau mit Kopftuch trägt einen Bombengürtel unter dem Kleid, während ihr Gatte – der ihr selbstverständlich in einer Zwangsheirat unter Androhung von Ehrenmord zur Hand gegeben wurde – Zuhause auf der Plüschcouch sein Schläferdasein fristet. Moscheen dienen selbstverständlich auch nicht der Zusammenkunft Gläubiger und dem gemeinsamen Gebet, sondern sind ausnahmslos Brutstätten von Hasspredigern, wenn nicht gar Ausbildungscamps für Talibananhänger. Und bestimmt ist der Gammelfleischskandal ein Komplett fundamentalistischer Dönerverkäufer, die so den „Ungläubigen“ schaden wollten.
Wenn es nicht wirklich genügend arme Irre gäbe, die solch einen Bockmist glauben, könnte man darüber lachen.
Dass es in der Tat etliche Probleme mit einigen Bürgern mit Migrationshintergrund gibt, dürfte vom Konservativen, über den Liberalen, dem Sozialdemokraten bis hin zum kommunistisch Geprägten jeder mitbekommen haben. Und sicherlich auch, dass es dringender Lösungen bedarf. Aber braucht die Gesellschaft dazu rechtsideologisches Gedankengut?
In Köln jedenfalls, hatte die umstrittene Wählergruppe die Rechnung ohne den Wirt gemacht.
Pro Köln e.V. hatte gestern zu einer Pressekonferenz auf den Ausflugsdampfer „Moby Dick“ geladen. Die Rechtspopulisten hatten Glück. Es flogen keine Harpunen, sondern nur Steine und Farbbeutel. Die Wurfgeschossen haben zum Glück nur Sachschaden angerichtet. Wobei auch erwähnt werden sollte, dass der Reeder lt. eigener Aussage keine Ahnung hatte, was für eine Gruppierung das Schiff angemietet hatte. Das Ziel der Gegendemonstranten wurde auf jeden Fall erreicht: Moby Dick dümpelte ziellos über den Rhein, während die Rechtspopulisten etwas konsternierte Interviews gaben, in denen sie sich darüber echauffierten, wie mit ihnen als Demokraten umgegangen würde.
(Und ich dachte immer Rechtsextremismus und Demokratie wären etwas völlig Gegensätzliches!)
Die anschließend geplante Rundfahrt durch Kölner Problemstadtteile – natürlich die mit erhöhtem Ausländeranteil – und zur Deutschlandzentrale der Türkisch-Islamischen Union (wo eine Moschee errichtet werden soll) wurde aus Sicherheitsgründen von der Polizei abgesagt. Und dabei wurde pro Köln e.V. sehnlichst erwartet: eine Menschenkette aus hunderten Kölner Bürgern stand als denkender Gegenpol im Stadtteil Ehrenfeld bereit. Das Ergebnis könnte man aus Sicht der Rechten als R(h)einfall bezeichnen.
Für den heutigen Tag hatten die Rechtspopulisten eine Kundgebung auf dem Kölner Heumarkt geplant, diese wurde aber von den Kölner Behörden verboten. Dennoch hatten sich ca. 5000 Kölner Bürger zur Demo gegen rechts versammelt.
Schade nur, dass es wieder ein paar Bekloppte gab, die diesen wichtigen Anlass für ihre eigenen Zwecke ausnutzen mussten. Natürlich gab es wieder einige Linksautonome, die marodierend durch die Stadt zu ziehen versuchten.
Ich persönlich hätte mir gewünscht, dass sich ähnliche viele Menschen wie bei den Rosenmontagsumzügen eingefunden hätten, um zu demonstrieren: Köln – nazifreie Stadt. Und von mir aus: Kamelle gegen rechts!

Freitag, 19. September 2008

Grausiges Ende eines Schützenfestes

Ich bin bekennender Friedhofsfan. Neben der Architektur von Grabmälern fasziniert mich auch die Geschichte, die auf den meisten Gottesackern gewahr wird.
Auf dem Neuen Luisenstädtischem Kirchhof in der Neuköllner Hermannstraße entdeckte ich einen Obelisken mit der Inschrift:
Hier ruhen in Gott die am 2ten September 1883 in Steglitz verunglückten Schützenbrüder nebst Angehörigen / Dem Andenken gewidmet von deutschen Schützen

Über der Inschrift ein Eichenkranz mit zwei sich überkreuzenden Gewehren.
Was war passiert?
Vermutlich ist meine Fantasie durch übermäßigen Genuss von Psychothrillern etwas zu ausgeprägt. So dachte ich zunächst, dass vielleicht Schießpulver in Brand geraten war. Ich hätte mir auch vorstellen können, dass ein „durchgeknallter“ Schützenbruder Amok gelaufen ist.
Zum Glück gibt es das Internet. Nachdem ich Google mit entsprechenden Suchbegriffen gefüttert hatte, fand ich nähere Informationen.
An jenem Sonntag 1883 hatten die Steglitzer Schützenbrüder ein Fest gefeiert, zu dem auch Schützen aus dem damaligen Rixdorf (heute Neukölln) mit Kind und Kegel angereist waren. Nach dem Fest – es muss gegen 21.30 Uhr gewesen sein - zogen die Rixdorfer Schützen gut gelaunt zum nahe gelegenen Bahnhof von Steglitz. Dieser befand sich in der Nähe des heutigen S-Bahnhofs Rathaus Steglitz, jedoch in etwa auf der Höhe des alten Postamtes. Als die Gruppe die Bahnschranken des auf Straßenniveau liegenden Bahngeländes erreicht hatten, sahen sie den bereitstehenden Zug nach Berlin. Panik machte sich breit, dass der Zug ohne die Rixdorfer abfahren könnte. Und so überwanden die Leute die Absperrungen und stürmten auf den wartenden Zug zu. Viel zu spät bemerkten sie den herannahenden Schnellzug (Courierzug) aus Berlin, der schließlich fast ungebremst in die Menschenmenge fuhr.
Die Bilder, die sich Zeugen geboten haben, müssen ausgesprochen erschreckend gewesen sein.
Wir kennen alle die Bilder des Zugunglücks von Eschede. Nun wird der Schnellzug sicherlich nicht mit 210, sondern schätzungsweise mit vielleicht 65 km/h unterwegs gewesen sein. Dennoch muss das Ausmaß der Zerstörung selbst bei dieser geringen Geschwindigkeit grauenvoll gewesen sein.
Heutzutage hätte ein Augenzeuge schnell sein Mobiltelefon gezückt und binnen weniger Minuten wären Rettungskräfte am Unfallort eingetroffen. Damals gab es noch nicht einmal Lautsprecher, über welche die Bahnbediensteten die auf die Gleise stürmenden Menschen hätten warnen können. Der Rettungsdienst, wie wir ihn heute kennen und schätzen, befand sich Ende des 19. Jahrhunderts noch in den Kinderschuhen. Zwar gab es bereits erste Krankentransport-unternehmen, aber die hatten weder Blaulicht, noch Martinshorn und waren mit etwa zwei PS, nämlich in Droschkenform, unterwegs. Das Universitätsklinikum Benjamin Franklin sollte erst 76 Jahre später errichtet werden, auf dessen Gelände befand sich damals das Kreiskrankenhaus Steglitz. Immerhin rund 2 ¼ Kilometer entfernt. Wie ging die Rettung und der Transport der Verletzten am jenem Septemberabend vonstatten? Wie sahen damals die Erste-Hilfe-Maßnahmen aus?
Laut Wikipedia lag die Zahl der Todesopfer zwischen 19 und 70, der Steglitzer Heimatverein berichtet von 39 Toten, davon vier Kinder. Acht (Wikipedia) bzw. sechs (Steglitzer Heimatverein) Menschen wurden schwerverletzt, etliche andere kamen mit leichteren Blessuren davon. Die grausam verstümmelten Toten sollen in einem Raum des Bahnhofgebäudes aufgebahrt worden sein.
An dieses furchtbare Unglück erinnert in Steglitz nichts mehr (von den Dokumenten im Archiv des o.g. Heimatvereins abgesehen). Nur der Obelisk in Neukölln mahnt den Opfern.

Mittwoch, 17. September 2008

In den Untergrund!


Mein nächstes und für den diesjährigen "Tag des offenen Denkmals" letztes Ziel liegt nur einen Katzensprung vom Landgericht entfernt.
Im wahrsten Sinne des Wortes betrat ich den Untergrund.
Der U-Bahnhof Klosterstraße ist architektonisch sicherlich einer der schönsten der Stadt und hat etwas von einem U-Bahnmuseum. Alte Emailleschilder mit Ansichten Berliner U-Bahnzüge, ein Hebelstellwerk und ein U-Bahnwagen lassen den Fahrgast gerne mal einen Zug ausfallen.
Mein Ziel war jedoch nicht der U-Bahnhof Klosterstraße an sich, sondern eine Tunnelbegehung zum einstmals geplanten und im 2. Weltkrieg zum Bunker ausgebauten U-Bahnhof Stralauer Straße.
Als ich mich in die Reihe der potenziellen Tunnelbegeher einreihte, war mir bereits klar, dass meine Bilder nur Grütze werden konnten. Vor mir stand eine Gruppe, die ihre Spiegelreflexkameras bereits auf Stative befestigt und Belichtungsmesser parat hatten. Mein Stativ lehnte in der zugehörigen Tasche an meinem Kleiderschrank und meine Kamera ist zwar gut, jedoch nicht die heiß ersehnte digitale Spiegelreflex (Sponsoren dürfen sich gerne melden! ;o)).
Nach der Unterzeichnung einer Verzichtserklärung auf Regressansprüche in Folge körperlicher oder sonstiger Schäden bei der Tunnelbegehung, betrat ich durch eine Stahltür einen leicht dämmrigen Vorraum, dessen Treppe gen Untergrund führte. Unten angelangt erblickte ich einen Schriftzug an der Wand, mit dem Hinweis auf eine Gasschleuse. Erstes Indiz für den Bunker?
Über eine weitere Treppe erreichte ich den U-Bahntunnel. Zahlreiche Fotografen hatten ihre stativbewehrten Kameras links und rechts der auf einem Viadukt liegenden U-Bahntrasse aufgebaut und als fast zeitgleich die Züge aus und in den Bahnhof Klosterstraße ein- bzw. ausrollten, erhellten hier und da Blitzlichter das schummerige Tunnelfragment. Ein Königreich für einen Motor, dachte ich mir, als ich ebenfalls die an mir vorbei rumpelnden U-Bahnen fotografierte.
Über eine Öffnung im Viadukt gelangte ich auf die andere Seite der Trasse. Von hier aus ging es über Schottersteine zu dem Nebentunnel in Richtung Bahnhof / Bunker Stralauer Straße.
Gänzlich unbenutzt scheint die Strecke nicht zu sein, denn die Schienenstränge glänzen beängstigend frequent.
Vor mir schlenderten andere Tunnelbegeher über die Schottersteine und Schienen. Ältere Ehepaare, Mütter mit ihren Kindern, viele Besucher mit Rucksäcken. Sah das zur Zeit des 2. Weltkrieges ähnlich aus, als Berliner den Bunker anstrebten oder traten die Menschen einen anderen Weg in die Zufluchtstätte vor Fliegerbomben an?
Nach einigen Minuten Fußmarsches über das Schotterbett war der U-Bahnhof Stralauer Straße erreicht. Es würde mich brennend interessieren, wie der mal ursprünglich ausgesehen hat. Die Ähnlichkeit mit einem Bahnhof ist heute so frappierend wie die zwischen Erdbeere und Salatgurke. Kriegsgefangene hatten in den 1940er Jahren eine den gesamten Bahnsteig einnehmende Bunkeranlage errichten müssen. Wieder wiesen Inschriften an der Wand auf Gasschleusen hin. Einige wenige Räume waren begehbar, bis auf ein paar Rohre und Halterungen für längst verschwundenes Inventar, alles rostverkrustet, leer. Vor einem langgezogenen Mittelgang, von dem aus zu beiden Seiten Räume abgingen, war ein rot-weißes Flatterband befestigt und der Hinweis, dass dieser Teil des Bunkers nicht begehbar sei. So ging es zurück in den U-Bahntunnel und über diesen an der Bunkeranlage vorbei zum anderen Ende des Bunkers. Ein muffiger Geruch bekräftigte den Hinweis eines Schildes, dass der nördliche Bunkerteil unter Wasser stünde. Über den jenseitigen Teil des Bahnhofs / Bunkers, durch weitere Räume, in denen rostzerfressene Artefakte an den Wänden prangten, gelangte ich nach einem kurzen Fußmarsch wieder zurück ans Tageslicht.
Mit dem wohligen Gefühl zum Glück nur vage Vorstellung vom Krieg zu haben, beendete ich den Tag des offenen Denkmals.


P.S.: wirklich gelungene Tunnelansichten sind hier zu sichten.

Der Held der Advokatie


Nach dem Besuch der Sophienkirche und dessen Kirchhof verschlug es mich wieder nach Altberlin, ganz in die Nähe des Alexanderplatzes, an einen Ort der Berliner Rechtspflege und leider auch deren Beugung: dem Landgericht in der Littenstraße. Zwischen 1896 und 1905 als Neubaraockbau mit Jugendstilelementen errichtet, ist das Gericht bis heute das größte Landgericht und das zweitgrößte Gerichtsgebäude Deutschlands. Die Ausmaße erreichten fast die Gigantomanie des Berliner Stadtschlosses. Der Blick in die Eingangshalle mit ihren reich verzierten Treppentürmen ist äußerst eindrucksvoll.
Fest verankert mit dem Landgericht ist der Name eines Rechtsanwaltes, dessen Mut, Unbeugsamkeit und Gerechtigkeitsempfinden wohl einzigartig ist und an den eine Gedenktafel am Gericht erinnert: Hans Achim Litten, der Anwalt des Proletariats. Litten engagierte sich für Arbeiter, die gegen das Regime aufbegehrt hatten, zunächst gegen die Weimarer Republik, später gegen die Nazis. So zeigte er beispielsweise den damaligen Berliner Polizeipräsidenten Zörgiebel wegen Anstiftung zum Mord an. Jahre später blamierte Litten Adolf Hitler vor Gericht im Zuge des Prozesses um den Überfall auf das Lokal Eden.
Selbstredend, dass sich der unerschrockene Anwalt bei den Nationalsozialisten nicht unbedingt Freunde schaffte. Hitler selbst soll auf den Anwalt so allergisch reagiert haben, dass sein Name in Gegenwart des Diktators nicht erwähnt werden durfte.
Sein Platz auf der Schwarzen Liste der neuen Machthaber war ihm sicher. Und so nahm man den Rechtsanwalt direkt nach dem Reichstagsbrand in "Schutzhaft". Es folgte eine Odyssee durch diverse Zuchthäuser und Konzentrationslager, die mit dem Suizid des gefolterten und gebrochenen Helden der Arbeiterschaft und Unterdrückten in Dachau endete.
Die Straße vor dem Landgericht ist heute nach dem couragierten Anwalt benannt und es bleibt zu wünschen, dass Rechtsanwälte, die heutzutage ihre Fahrzeuge vor dem Landgericht parken und zur Arbeit schreiten, sich an dieses Vorbild erinnern und sich ein Beispiel nehmen.